Mit der Verkündung des Dekrets Nr. 11.075, am 19. Mai 2022 (das „Dekret“), unternahm die brasilianische Bundesregierung einen wichtigen Schritt zur Schaffung des brasilianischen Kohlenstoffmarktes. Das Dekret regelt die Nationale Politik zum Klimawandel („PNMC“), die durch das Bundesgesetz Nr. 12187/2009 eingeführt wurde und eine Reihe von Sektoren auflistet, die ihre Treibhausgasemissionen („THG-Emissionen“) reduzieren müssen:
- Elektrische Energie (Erzeugung und Verteilung);
- Öffentlicher Nahverkehr und zwischenstaatliche Beförderung von Gütern und Personen;
- Transformation und langlebige Konsumgüterindustrie;
- Fein- und Grundstoffchemische Industrie;
- Papier- und Zelluloseindustrie;
- Bergbau;
- Baugewerbe;
- Gesundheit; und
- landwirtschaftliche Dienstleistungen.
Durch das Dekret sollen dem Markt neue Leitlinien an die Hand gegeben werden, die auf dem Export von Gutschriften an Länder und Unternehmen beruhen, die ihre Emissionen ausgleichen müssen, um ihren Verpflichtungen zur Kohlenstoffneutralität nachzukommen.
Das Dekret legt die Verfahren für die Ausarbeitung von Sektorplänen zur Eindämmung des Klimawandels fest, die im PNMC vorgesehen sind, und richtet das Nationale System zur Reduzierung von THG-Emissionen („Sinare“) ein. Es stellt einen wichtigen Schritt zur Regelung des Marktes für Emissionsreduktionsgutschriften dar, der mit den vom Land auf internationaler Ebene eingegangenen Verpflichtungen in Einklang gebracht wird.
Obwohl Brasilien über ein großes Potenzial für die Erzeugung von Gutschriften verfügt, hat es diesen Markt noch nicht geregelt. Derzeit werden nur freiwillige Marktoperationen durchgeführt, bei denen Unternehmen und Einzelpersonen ihren Kohlenstoff-Fußabdruck ausgleichen können, indem sie direkt von Projekten und Einrichtungen kaufen, die mit Zertifikaten handeln.
Mit dem Dekret wurden neue Begriffe im brasilianischen Rechtssystem definiert, wie z. B. Kohlenstoff- und Methangutschriften. Beide Gutschriften werden als „finanzielle, ökologische, übertragbare Vermögenswerte behandelt, die die Reduzierung oder Beseitigung einer Tonne Kohlendioxidäquivalent repräsentieren und als Gutschriften auf dem freiwilligen oder geregelten Markt anerkannt und ausgegeben wurden“.
Die Definition des Kredits als „finanzieller Vermögenswert“ und „übertragbar“ ist von großer Bedeutung für seine wirtschaftliche Verwendung, sei es als Gegenstand von Kauf- und Verkaufsgeschäften, als Garantieinstrument oder in anderer Weise.
Darüber hinaus wurden durch das Dekret die Sektorpläne zur Eindämmung des Klimawandels eingeführt. Die Sektorpläne müssen schrittweise Ziele für die Verringerung der THG-Emissionen vorgeben, die mit dem Ziel der Klimaneutralität übereinstimmen müssen, das Brasilien in seinen national festgelegten Beiträgen („NDC“) im Rahmen des Pariser Abkommens vereinbart hat. Mit anderen Worten: Der NDC gibt das „nationale Ziel“ vor; die Sektorpläne entfalten diese Ziele für die jeweiligen Sektoren und Unternehmen im Land.
Die Festlegung der Sektorpläne wird von der Regierung vorgenommen und vom Interministeriellen Ausschuss für Klimawandel und grünes Wachstum gemäß Dekret Nr. 10.845/2021 genehmigt. Die eingangs erwähnten Sektoren, die für die Verringerung der Emissionen zuständig sind, haben 180 Tage Zeit, um ihre Vorschläge zur Erreichung der Klimaneutralität vorzulegen, damit sie als Grundlage für das Handeln der Regierung dienen können.
Bei der Analyse der Vorschläge wird die Regierung Kriterien wie die Merkmale der einzelnen Sektoren, das Emissionsniveau und die Merkmale der einzelnen Regionen berücksichtigen. Die Art und Weise, wie diese Kriterien bei der Ausarbeitung der einzelnen Sektorpläne bewertet werden, ist noch unbekannt und wurde in der bestehenden Verordnung bisher nicht festgelegt. Dies ist ein wesentliches Element, da es bestimmt, wie jeder Sektor und jede Region ihren Beitrag zur „Dekarbonisierung“ der brasilianischen Wirtschaft leisten soll.
Schließlich wurde mit dem Dekret das Nationale System zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen („Sinare“) geschaffen, das als zentrales Register zur digitalen Erfassung von Treibhausgasemissionen, -abbau, -reduzierungen und -kompensationen dienen soll. Das Sinare wird auch den Kohlenstoff-Fußabdruck von Produkten, Prozessen und Tätigkeiten sowie den Kohlenstoff der einheimischen Vegetation, den Bodenkohlenstoff, den blauen Kohlenstoff und die Kohlenstoffbestandseinheiten erfassen.
Es obliegt dem Umwelts- und dem Wirtschaftsministerium, die spezifischen Regeln für den Betrieb vom Sinare festzulegen, u.a. in Bezug auf die Registrierung, die Zertifizierungsstandards, die Akkreditierung von Zertifizierern und Verwahrungsstellen, die Umsetzung und Verwaltung sowie das öffentlich zugängliche Register.
Durch die Definition von Konzepten und die Festlegung von Verfahren trägt das neue Dekret wesentlich zur Organisation des Kohlenstoffmarktes in Brasilien bei. Eine gesetzliche Regelung des Sektors erscheint jedoch unerlässlich, um die Leitlinien zu gewährleisten und die Rechtssicherheit für die Teilnehmer zu stärken.
Parallel zum Dekret der Exekutive ist im Kongress der Gesetzentwurf („PL“) 528/2021 anhängig, der diesen neuen Kohlenstoffmarkt regeln soll. Der Text, der von der Vorsitzenden des Umweltausschusses des Abgeordnetenhauses, der Abgeordneten Carla Zambelli (PL-SP), verfasst wurde, wird von der Branche als entscheidend für den effektiven Eintritt Brasiliens in diesen Markt angesehen, ungeachtet möglicher Anpassungen während der Verabschiedung durch das Parlament.