1. Gesetzliche Grundlagen
Am 26. August 2021 wurde das Gesetz Nr. 14.195/2021, dass das Unternehmensumfeld in Brasilien vereinfachen und entbürokratisieren soll, verabschiedet.
Unter den zahlreichen Änderungen, die durch das Gesetz Nr. 14.195/2021 eingeführt wurden, ist eine der wichtigsten die Möglichkeit, nicht in Brasilien wohnhafte Direktoren für Aktiengesellschaften mit Sitz in Brasilien zu wählen. Vor dem genannten Gesetz konnten sowohl brasilianische als auch ausländische nicht in Brasilien ansässige Personen in den Verwaltungsrat der Gesellschaft aufgenommen werden, waren aber daran gehindert, Positionen in der Geschäftsführung zu besetzen, die eine Vertretung der Gesellschaft voraussetzen.
In diesem Zusammenhang konnten ausländische natürliche Personen nur dann eine Geschäftsführungsposition bekleiden, wenn sie ihren Wohnsitz in Brasilien hatten, d.h. wenn sie über ein dauerhaftes Visum verfügten. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Vertreter des Unternehmens im brasilianischen Hoheitsgebiet anzutreffen sind, damit sie alle an das Unternehmen gerichtete Mitteilungen, Bescheide und/oder Zustellungen entgegennehmen können.
In diesem Sinne wurde auch Artikel 146, Absatz 2 des Gesetzes Nr. 6.404/76 („S/A-Gesetz“) durch das Gesetz Nr. 14. 195/2021 geändert und sieht nun vor, dass ein im Ausland wohnhafter Geschäftsführer „einen im Land wohnhaften Bevollmächtigten bestellen muss, der befugt ist, bis mindestens 3 (drei) Jahre nach Beendigung der Amtszeit des Geschäftsführers Zustellungen in Gerichtsverfahren entgegenzunehmen, die aufgrund des Gesellschaftsrechts gegen ihn eingereicht werden, sowie Zustellungen und Vorladungen in Verwaltungsverfahren, die von der Börsenaufsichtsbehörde („CVM“) eingeleitet werden, wenn er die Geschäftsführung einer börsennotierten Gesellschaft ausübt“.
Mit der Normativen Verordnung Nr. 112/2022 hat die Nationale Behörde für Unternehmensregistrierung und -integration („DREI“), die die Handelsregister der verschiedenen brasilianischen Bundesländer beaufsichtigt und reguliert, im Anschluss an die Änderung des Gesetzes über das Unternehmensumfeld für Aktiengesellschaften festgelegt, dass Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Limitadas oder Ltdas.) auch im Ausland ansässige Geschäftsführer ernennen können.
Daher kann derzeit ein Mitglied der Geschäftsführung, ob Brasilianer oder Ausländer, seinen Wohnsitz außerhalb Brasiliens haben, sofern es einen in Brasilien wohnhaften Bevollmächtigten bestellt.
2. Praktische Aspekte
Mehr als drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 14.195/2021 haben sich jedoch die Verfahren, um die Bestellung eines nicht in Brasilien wohnhaften Geschäftsführers in der Praxis zu ermöglichen, noch nicht bei der Gesamtheit der zuständigen Stellen geändert.
Mit dem Gemeinsamen Schreiben SEI Nr. 28/2022/ME, vom 2. Mai 2022, gab die DREI den Handelsregistern der verschiedenen brasilianischen Bundesländer einige Richtlinien in Bezug auf die Eintragung der gesellschaftsrechtlichen Dokumente zur Bestellung der im Ausland wohnhaften Geschäftsführer.
Bis heute wurde jedoch das „Redesim“, das für die Vereinfachung der Registrierung und Legalisierung von Unternehmen und Betrieben zuständige System, nicht dahingehend aktualisiert, nicht in Brasilien wohnhafte Geschäftsführer in den Nationale Kataster für juristische Personen („CNPJ“) aufzunehmen.
In Anbetracht der Tatsache, dass für die Eintragung des Gesellschaftsvertrages / der Gesellschaftsvertragsänderung / des Gesellschafterbeschlusses, der die Bestellung des Geschäftsführers enthält, die Grundeintragungsurkunde („DBE“) erforderlich ist, die von dem „Redesim“ ausgestellt wird, ist es mehreren Unternehmen nicht gelungen, die Gesellschaftsunterlagen einzutragen und damit den Geschäftsführer zu bestellen.
Die Schwierigkeiten entstehen hauptsächlich in Fällen, in denen der im Ausland wohnhafte Geschäftsführer der einzige Geschäftsführer der Gesellschaft mit Sitz in Brasilien ist und noch nicht über die Eintragung in dem Kataster der natürlichen Personen („CPF“) bzw. Steuernummer, und ebenfalls nicht über ein sogenanntes e-CPF, ein digitales Zertifikat, das als digitale Steuernummer und Unterschrift dient, verfügt, die für die Beantragung und Ausstellung des DBE erforderlich sind.
Die DREI hat mit dem Gemeinsamen Schreiben SEI Nr. 28/2022/ME klargestellt, dass die Änderungen im CNPJ-System derzeit geprüft werden und dass die Handelsregister bis zur Anpassung des Systems den Gesellschaftsvertrag / die Gesellschaftsvertragsänderung / den Gesellschafterbeschluss ohne Vorlage der DBE eintragen müssen.
Nach der Eintragung des Gesellschaftsaktes mit der Bestellung eines im Ausland wohnhaften Geschäftsführers muss das Handelsregister ein Schreiben an das Finanzamt („Secretaria da Receita Federal“) senden, in dem es über die Eintragung des Aktes informiert, damit dieses die Aktualisierung des CNPJ der betreffenden Gesellschaft vornimmt, um die Datenbank der öffentlichen Stellen synchron zu halten. Die Dauer für diese Aktualisierung ist unterschiedlich und schwer einzuschätzen.
Die Richtlinien der DREI haben die Schwierigkeiten bei der Bestellung eines im Ausland wohnhaften Geschäftsführers in Brasilien jedoch in der Praxis zum großen Teil nicht beseitigt, so dass Gesellschaften, die eine solche Bestellung beabsichtigen, weiterhin Schwierigkeiten mit der Registrierung der Unterlagen haben können, falls die Gesellschaft keinen anderen Geschäftsführer hat.
Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass auch wenn der im Ausland wohnhafte Geschäftsführer nicht der einzige Geschäftsführer der Gesellschaft ist, es aufgrund verschiedener praktischer Umstände wie z. B. die Abgabe bestimmter erforderlicher Erklärungen an die Behörden empfehlenswert sein kann, dass er eine Eintragung in dem Kataster der natürlichen Personen („CPF“) bzw. Steuernummer und ebenfalls über ein e-CPF (digitales Zertifikat) verfügt, auch wenn er nicht in Brasilien steuerpflichtig ist.
Falls die Gesellschaft andere Geschäftsführer hat, ist eine solche Eintragung bzw. ein solches Zertifikat allerdings nicht unbedingt erforderlich. Es empfiehlt sich jedoch zu prüfen, ob die brasilianische Bank, bei der die Gesellschaft ihr Konto hat, die Bewegung von Konten durch Geschäftsführer ohne Eintragung im CPF zulässt.
Andreas Robert Beyersdorf ist Partner bei Pacheco Neto Sanden Teisseire Law Advogados.
Julia Krautter Romeiro (PhD., LL.M.) ist Counsel bei Pacheco Neto Sanden Teisseire Advogados.